Party, Parkbad, Puttchen …

Autor: Thorsten Wagner-Conert

Fotos: Thorsten Wagner-Conert

11.03.2024



In jüngeren Jahren glich sie einem Hansdampf in allen Gassen, kannte die angesagten Läden in der Stadt (die es damals noch gab). Nun ist sie fast 72 – und immer noch jung: Waltraud „Puttchen“ Neumann ist untrennbar mit der Gaststätte „Türmer“ verbunden. Ihre Familie, die Surenhöfeners, hat das Lokal ewig lange selbst betrieben – und einen Lebensmittelladen nebenan dazu. Thorsten Wagner-Conert hat die quirlige Frau an ihrem Lieblingsplatz getroffen: an der Bank im Hof.

 

Text und Foto: Thorsten Wagner-Conert

 

Früher musste man mit Puttchen überall in der Stadt rechnen und besonders dort, wo was los war. Heute hält die gerne duzende Frau sozusagen Hof - in ihrem Hof. Die Bank dort ist es, auf der sie bei schönem Wetter sitzt – und nicht etwa die im Garten, „da sieht man ja niemanden vorbeikommen.“ Die halbe Stadt nennt sie nur bei ihrem Spitznamen. Waltraud „Puttchen“ Neumann ist bekannt wie der sprichwörtliche bunte Hund. Und wer an ihrem Hof vorbeikommt, kommt an Puttchen noch lange nicht vorbei: „Ich winke, wenn ich hier Bekannte sehe, lade sie auf einen Kaffee ein oder auf ein Bier – und dann quatern wir. Der Hund meldet sich ja immer sofort, da verpasse ich keinen, der vorbeigeht.“ Und so behält sie halt Freunde auch im Blick.

 

Sie ist ein Gütersloher Urgestein, war durchs Schwimmen vielen bekannt, der Vater war 25 Jahre Vorsitzender des Gütersloher Schwimmvereins, die Familie gern im Wasser. „Schon mit fünf Jahren war ich immer im Parkbad gewesen – bei Eiseskälte und im Sommer sowieso.“ Bei Wettkämpfen ist sie mitgeschwommen bis hin zur Bezirksmeisterschaft, mehrere Male wurde sie Bezirksmeisterin. Doch irgendwann drängte sich eine prickelnde Alternative auf: „Wie das mit den Jungs anfing, da war Schwimmen vorbei“, sagt Puttchen, deren sportlicher Trennungsschmerz sich wohl in Grenzen hielt.

 

Die Emma Peel von Gütersloh

 

Das Vélosolex – ein Mofa mit Antriebsrolle auf dem Vorderrad – war ihr endgültiger pubertärer Befreiungsschlag im Alter von 16 Jahren, und „selbst bezahlt“. Sie schwärmt: „Mit dem Solex war ich die selbsternannte Emma Peel von Gütersloh, bin von einer Party zur anderen – wo Musik war, war ich zuhause, im Sir, im Studio, bei Voßhans, bei Wiltmann – Musik war mein Leben.“

 

Und zwischendurch nach Grömitz

 

Im Sommer fehlte sie der Stadt schon damals einige Zeit – und das ist heute nicht anders. Denn ihr zweiter Lieblingsplatz ist Grömitz, seit die Familie vor sage und schreibe 68 Jahren das Hotel „Zur Schönen Aussicht“ für sich entdeckte. „Eigentlich gehört uns der Laden längst“, lacht sie, „das sagen die Betreiber da auch immer.“ Es ist eben ein zweites Zuhause, an dem man sich bedienen lässt. Ihr Vater sagte immer: „Wir wollen im Urlaub das haben, was wir zuhause für unsere Gäste tun – also uns bedienen lassen. Das ist das Schönste.“

 

Wenn Puttchen ihr Jugend-Gütersloh mit heute vergleicht, beklagt sie die aktuellen Angebote für junge Leute: „Da ist die Weberei, aber die scheint ja auch auf wackligen Füßen zu stehen. Als ich jung war, da hatte ich ohne Ende Möglichkeiten, abends auszugehen, Party zu machen, in die Discos zu gehen. Es gibt für junge Leute zu wenig in Gütersloh.“

 

Aber es gibt auch den Flecken Gütersloh, den sie heute liebt – ihren Kiez: „Der Dreiecksplatz, das ist Gütersloh. Klein, fein – und immer geile Musik. Und alltags gehst du da einmal mit dem Hund herum, und: zack bumm, hast du schon wieder Leute getroffen.“

 

Bekannt wie ein bunter Hund

 

Ansonsten sei das Schöne in der Stadt aber auch ein wenig verloren gegangen: „Im Parkbad und im Wapelbad, da ist’s weiter toll. Schade, dass das Parkbad immer noch nicht fertig wird. Die Stadtverwaltung ist ja ein bisschen verträumt, was ihre Baustellen angeht.“

 

Aber Waltraud „Puttchen“ Neumann ist weiter bunter Hund. Und sie wird ständig angesprochen, wie immer schon: „Ich finde das ganz toll. Ich freue mich total, wenn mich in der Stadt jemand anquatscht. Meine Freundin, die auch 20 Jahre im Türmer gearbeitet hat, und ich, wir sagen immer, wenn uns Namen nicht mehr einfallen: „Was die getrunken haben, das wissen wir noch.“

 

Stolz ist sie auf ihre bald 40jährigen Drillinge, die dann große Party machen, „da habe ich mal locker 15 Leute zum Schlafen hier im Haus.“ Full House im „Türmer“ kann sie eben auch noch – die, die immer drin wohnte: „Ja, Puttchen Türmer. Das ist einfach so, weil es mir ja gehört, weil ich drin wohne, im Turm. Hier fühle ich mich wohl.“

 

Mit Menschen beschäftigen hält jung

 

Jung will sie bleiben für ihre Enkelkinder. „Wie ich das mache? Mich mit Menschen beschäftigen, mich viel unterhalten, auch mit Wildfremden. Und ich quatsche auch jeden Handwerker voll – und hier haben wir viele, so ein altes Haus hat ja immer irgendwas. Eine Baustelle ohne Ende.“ Die idealen Gesprächspartner sind so herrlich verrückt, wie Puttchen – „die anderen versuche ich aus der Reserve zu locken“.

 

Reden kann man mit Waltraud „Puttchen“ Neumann: Alles, was dich bedrückt, musst du rauslassen. Wenn du’s runterschluckst, kriegst du nen dicken Bauch und erstickst. Das ist meine Devise.“

 

Weiter geht’s im Frühjahr – im Hof draußen auf der Lieblingsbank.

 

 

 

BUZ: Das „Puttchen“-Karree an der Königstraße: Zwei Sprayer sorgten an der Fassade fürs Bunte.

 

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